Hin und zurück in 15 Monaten

Im Paternoster zum Mars und zurück 

Eine denkbare Kurzzeit-Mission mit dem Paternoster-Prinzip zum Mars, das hier eingeleitet wurde,  würde wie folgt ablaufen:

 

Am Tag 1 starten im Abstand von maximal eineinhalb Stunden drei Raketen jeweils von der Größe einer Saturn 5. Diese Raketen bestehen fast vollständig aus riesigen Treibstofftanks und starken Triebwerken. An der Spitze von zweien dieser Raketen befinden sich mit jeweils zwei Astronauten bemannte Taxis, die den zu Beginn des Raumfahrtzeitalters so berühmten Gemini-Kapseln ähneln, dahinter befindet sich ein kleiner Konus mit Nutzlast. Eine dritte Rakete ist mit einer Kapsel bestückt, die der Apollo-Kapsel ähnelt. Diese Kapsel ist allerdings unbemannt und nur mit Versorgungsgütern beladen. Die ersten beiden Raketenstufen werden beim Aufstieg planmäßig abgeworfen, die dritte Stufen bringt die jeweiligen Lasten zunächst in einen niedrigen Erdorbit. Nach umfangreichen technischen Überprüfungen werden nach ein oder zwei Erdumkreisungen die dritten Stufen ein zweites Mal gezündet und bringen ihre Kapseln mitsamt der noch nicht eingesetzten vierten Stufe auf eine Geschwindigkeit nahe der Fluchtgeschwindigkeit der Erde.

 

Bis zu diesem Zeitpunkt entspricht der Flug, abgesehen davon, dass drei Raketen praktisch im Verband fliegen, in etwa dem einer früheren Mondreise. Die Kapseln bewegen sich mit etwa 11 km pro Sekunde von der Erde weg. Sollte der Flug an dieser Stelle abgebrochen werden müssen, wäre dies noch problemlos möglich, weil die Kapseln nach etwa fünf Tagen Flugzeit wieder in Erdnähe wären; das entspräche dann ungefähr der (abgebrochenen) Mission Apollo 13. Wenn jedoch alle weiteren Überprüfungen der Technik und der Flugbahn abgeschlossen sind, kann der weitere Schritt gewagt werden: Die Zündung der vierten Stufen. Sollten bei einer der vierten Stufen ein Problem auftreten ist eine Rückkehr zur Erde noch denkbar. Das andere Taxi könnte das defekte Taxi ankoppeln und den Resttreibstoff der vierten Stufe zum Abbremsen für eine Rückkehr zur Erde nutzen. Bald aber ist der „point of no return“ erreicht; eine Rückkehr ist nicht mehr möglich, der Weiterflug zu Obelix muss geschafft werden. Nach Brennschluss der jeweiligen vierten Stufen ist eine Geschwindigkeit relativ zur Erde von 16 Kilometern pro Sekunde erreicht.

 

Obelix ist der Paternoster zum Flug von der Erde zum Mars. Er ist ähnlich aufgebaut wie eine kleine Raumstation, Leergewicht etwa 25 Tonnen. Dies teilt sich auf auf eine große Mannschaftskabine, 10 m lang und mit 4 m Durchmesser, mit Vorräten, mit denen vier Astronauten einige Monate am Leben erhalten werden könnten, sowie Solarzellenflächen zur Energieversorgung und Radiatorenflächen zur Temperaturregelung. An der Mannschaftskabine befinden sich drei Andockungsstutzen.

 

Obelix kreist antriebslos auf einer stark elliptischen Bahn um die Sonne und er braucht, wie die Erde, genau ein Jahr für eine Umkreisung. Allerdings mit dem Unterschied, dass er währen dieses Jahres der Sonne einmal fast so nahe wie der Planet Merkur kommt und ein halbes Jahr danach so weit von ihr entfernt ist wie der Mars.

 

Asterix und Obelix Übersicht

Bild 1: Die Raumschiffe Obelix (links) und Asterix (rechts) mit den beiden Taxis in grün. Bei Obelix ist ebenfalls in grün die große Versorgungskapsel zu erkennen.


Die beiden Taxis und die Versorgungskapsel koppeln etwa drei Tage nach dem Verlassen der Erdumlaufbahn mit Obelix und die vier Astronauten wechseln von den spartanischen Taxis in die geräumigere Kabine von Obelix über. Nach weiteren zwei oder drei Tagen sind die Lebenserhaltungssysteme von Obelix aktiviert und die Routine beginnt.

 

Während der acht Monate, die die Astronauten in Obelix zu Gast sind, wird die Hauptaufgabe sein, die Lebenserhaltungssysteme von Obelix in Gang zu halten, Sport zu treiben, um den Einflüssen der Schwerelosigkeit des langen Fluges auf die Gesundheit der Astronauten in Schach zu halten, sowie Navigation und Kommunikation mit der Erde.

 

Die Lebenshaltungssysteme bestehen im Wesentlichen aus der Wasser- und aus der Atemluftaufbereitung. Trinkwasser wird zum größten Teil frisch mitgeführt. Das Wasser zum Waschen wird jedoch aus bereits verwendetem Waschwasser, aufbereitetem Urin und aus Kondenswasser gewonnen. Ausgeatmetes Kohlendioxid wird in einem mehrstufigen chemischen Prozess in wieder zu verwendenden Sauerstoff und Kohlenstoff umgewandelt, der als Abfallprodukt des Prozesses übrig bleibt. Des Weiteren wird Sauerstoff aus Schmutzwasser gewonnen (mit Wasserstoff als Abfallprodukt) und Stickstoff über Ammoniak und Harnsäure aus Urin. Alle diese Anlagen müssen tadellos laufen und von den Astronauten ständig überwacht und in Schuss gehalten werden.

 

Sport wird ein großer Teil des Lebens der Astronauten bestimmen. Ein Ruder-, ein Fahrrad- und ein Laufsimulator sind an Bord. In Verbindung mit virtueller Realität werden sich die Astronauten für die Dauer des Trainings wie auf der Erde fühlen; beispielsweise kann im Ruderprogramm eine Fahrt über den Rhein, im Fahrradprogramm eine Fahrt durch die Alpen und im Laufprogramm ein Marathon durch Berlin nachgestellt werden.

 

Die Kommunikation mit der Erde wird ein gewisses Problem darstellen, bedingt durch die während des Hinfluges immer länger werdende Laufzeit der Signale. Surfen im Internet in Echtzeit ist unmöglich. Eine direkte Konversation ist ebenfalls nicht machbar. Einzig das Versenden von E-Mails wird quasi ähnlich verlaufen wie auf der Erde. Aufzurufende Webseiten müssen von den Astronauten eine deutliche Zeit im Voraus bestellt werden; am besten gleich inklusive aller Links bis zu einer gewissen Tiefe. Jedenfalls ist ein autarker Betrieb von Obelix notwendig, der nicht mit dem der Apollo-Missionen vergleichbar ist.

 

Der Flug geht zunächst in Richtung Sonne. Nach vier Wochen wird bereits die Venus-Bahn gekreuzt, nach weiteren vier Wochen ist die geringste Entfernung zur Sonne und beinahe die Merkur-Bahn erreicht. Vier Monate nach dem Verlassen der Erde wird die Erdbahn wieder durchflogen (die Erde ist zu diesem Zeitpunkt aber viele Millionen Kilometer entfernt, weil sie viel langsamer um die Sonne kreist), weitere vier Monate später, also nach insgesamt acht Monaten, die Marsbahn.

 

Falls die Mission zum Mars abgebrochen werden müsste, müssten die Astronauten nichts weiter unternehmen. In Obelix sind genug Versorgungsmittel; nach genau 12 Monaten ist wieder die Erdbahn erreicht und die Astronauten könnten die beiden Taxis benutzen, um in die Erdatmosphäre einzudringen und so ihre Fahrt soweit abzubremsen, dass sie wieder vom Schwerefeld der Erde eingefangen werden.

 

Im Normalfalle aber werden die Astronauten ein paar Tage vor Erreichen der Marsbahn in ihre Taxis steigen und von Obelix abkoppeln. Mit relativ geringem Energieaufwand ändern sie ihren Kurs so, dass sie nicht wie Obelix knapp am Mars vorbei und dann wieder zurück zur Erde fallen, sondern so, dass sie die dünne Atmosphäre des Mars streifen. Die Relativgeschwindigkeit zum Mars ist hoch, sie beträgt etwa 9,2 km pro Sekunde. Die Reibung der Atmosphäre ist aber ausreichend, um die beiden Taxis auf weniger als 5,0 km/s abzubremsen, sodass sie zwar durch ihren hohen Schwung die Atmosphäre des Mars wieder verlassen, aber dennoch in seinem Schwerefeld gefangen bleiben. Nach etwa zwei Tagen fallen sie wieder zum Mars zurück und dringen ein zweites Mal in die Atmosphäre ein. Dadurch erfolgt eine weitere Abbremsung, die sie in einen niedrigen Orbit um den Mars, vielleicht in 300 km Höhe, führt. Mit eigenem Antrieb koppeln die beiden Kapseln dann mit dem sich bereits in der Marsumlaufbahn befindlichen Marsorbit-Komplex, bestehend aus den Andockknoten, Landereinheiten und den Rückkehrstufen.

 

Die Astronauten werden einige Tage damit beschäftigt sein, die Landeeinheiten und Rückkehrstufen zu überprüfen und die Taxis mit den in den Andockknoten befindlichen Versorgungsgütern zu beladen. Dann kann für zwei der Astronauten der entscheidende Teil der Reise beginnen.

 

Sie besteigen ihr mit einem der Landeeinheiten gekoppeltes Taxi, lösen sich von dem Verband und schweben in eine sichere Entfernung. Dann wird das Bremstriebwerk der Landeeinheit entgegen der Flugrichtung gezündet und damit deren Relativgeschwindigkeit zum Mars so stark verringert, dass sie in die dünne Atmosphäre eindringt. Diesmal ist der Schwung aber nicht mehr groß genug, die Atmosphäre wieder zu verlassen und das mit der Landeeinheit verbundene Taxi sinkt immer tiefer. Bald ist die Geschwindigkeit so stark verringert, dass die Verkleidung abgesprengt wird und die Landefallschirme sich öffnen können. Die Relativgeschwindigkeit zur Marsoberfläche ist noch bei mehr als 1000 m/s, wird nun durch die Fallschirme aber bis auf 200 oder 100 m/s verringert, bevor die Schirme kaum noch wirken und folglich wieder abgeworfen werden. Die letzten Kilometer des Weges zur Marsoberfläche wird die Landeeinheit von seinen Landetriebwerken abgebremst, analog zur letzten Phase der Mondfähre vor der Mondlandung, bis zur weichen Landung an einer vorbestimmten Stelle auf dem Mars.

 

Den Astronauten verbleiben nun etwa drei bis vier Wochen zur Erkundung des Mars. Die Astronauten füllen den Laderaum des Taxis mit Steinen und Bodenproben. Überflüssig, zu erwähnen, dass dies die interessantesten Wochen der kompletten Reise sein werden.

 

Inzwischen ist vielleicht bereits das zweite Team mit den anderen beiden Astronauten an anderer Stelle auf dem Mars gelandet.

 

Wahrscheinlich viel zu bald ist aber die Rückreise zu den in der Marsumlaufbahn treibenden Rückkehrstufen fällig. Diese ist recht unspektakulär; es wird dafür, wieder analog zur früheren Mondmission, die Aufstiegsstufe des Landers verwendet. Nach kurzer Zeit haben die Astronauten wieder mit den Rückkehrstufen gekoppelt und können alle weiteren Vorbereitungen zur Rückreise treffen.

 

Geräteblock im Marsorbit

Bild 2: Technische Umsetzung von Landung und Start auf dem Mars sowie des Fluchtmanövers aus dem Marsorbit.

Ein oder zwei Wochen später sind auch die anderen beiden Astronauten zurück bei den Rückkehrstufen. Nach sechs Wochen im Schwerefeld des Mars, also neuneinhalb Monate nach Verlassen der Erde, darf der Vorbeiflug von Asterix zur Rückkehr zur Erde nicht verpasst werden. Dazu werden die beiden Taxis mit ihren jeweiligen Laderäumen an die beiden Rückkehrstufen angekoppelt. Zur gleichen Zeit werden deren Triebwerke gezündet und das Schwerefeld des Mars mit einer Geschwindigkeit von 3,1 km/s verlassen. Nach ungefähr zwei Tagen Flug wird Asterix erreicht.

 

Asterix ist bereits seit zweieinhalb Jahren unterwegs. Er hat Versorgungsgüter an Bord, um die vier Astronauten für die verbleibenden sechs Monate Flugzeit am Leben zu erhalten. Seine Mannschaftskabine ist ähnlich der von Obelix, aber ein wenig kleiner. Er hat einen großen Hitzeschild, der gleichzeitig die Strahlung von der Sonne abschirmt.

 

Im Prinzip verläuft der Rückflug analog zum Hinflug. Allerdings mit dem Unterschied, dass dieser zwar kürzer ist, dafür aber ereignisloser. Die Näherung an die Erdbahn geschieht nur ganz langsam und die Geduld der Astronauten wird sicherlich auf eine harte Probe gestellt. Sie werden bald den ersten Jahrestag ihrer Abreise von der Erde feiern.

Detaillierter Flugverlauf

Bild 3: Veranschaulichung der Paternoster-Marsmission

Irgendwann ist es dann aber endlich so weit, etwa 15 Monate nach dem Start von der Erde. Die Schutzschilder von Asterix werden geschlossen und der Kurs so korrigiert, dass die Erdatmosphäre so genau gestreift wird, dass Asterix vom Schwerefeld der Erde wieder eingefangen wird. Wahrscheinlich wird auch hier nach zwei oder drei Tagen ein weiterer Flug durch die Erdatmosphäre notwendig, um die Geschwindigkeit von Asterix so stark abzubremsen, dass ein niedriger Erdorbit erreicht wird, von wo die Astronauten dann in einem Raumschiff abgeholt werden können. Wieder auf der Erdoberfläche angekommen wird sich eine Quarantänezeit anschließen, bevor die Astronauten endlich wieder frische Luft schnappen können.

 

Hier sind alle Einzelheiten zu den himmelsmechanischen Hintergründen der Mission nachzulesen.

 

Hier ist die Mission mit vielen weiteren technischen Einzelheiten geschildert.