Technische Einzelheiten und Berechnungen

Berechnungen, Ergebnisse und weitere Einzelheiten zur Technik des Mars-Paternosters

Hier wurde das Konzept einer bemannten Kurzzeitmission zum Mars aus technischer Sicht erklärt. Basis der Berechnungen für den Zusammenhang von Geschwindigkeitsdifferenzen und hierfür benötigte Treibstoffmassen ist die Ziolkowsky-Gleichung:

 

                                                                                                              (1)

mT: Treibstoffmasse

mL: Leermasse

Δv: Geschwindigkeitsdifferenz

c: Strahlgeschwindigkeit des Triebwerks

 

Für die weiteren Betrachtungen wird davon ausgegangen, dass jeweils der Erdorbit oder Marsorbit bereits erreicht ist (mit Ausnahme des Starts des Landers und der Bahnkorrektur von Obelix). Aus diesem Orbit muss dann auf eine bestimmte Geschwindigkeit beschleunigt werden, um auf die Bahn von Obelix, Asterix oder den Hohmann-Orbit um die Sonne zu kommen.

 

Dies soll anhand des Taxis, der vom Erdorbit aus Obelix erreichen muss, erklärt werden. Der Gravitationsbereich der Erde muss mit einer Geschwindigkeit vexc von 16260 m/s verlassen werden. Um aber überhaupt den Gravitationsbereich der Erde überwinden zu können muss erst Mal die Fluchtgeschwindigkeit vf erreicht werden, die bekanntermaßen 11200 m/s beträgt. Glücklicherweise addieren sich die beiden Geschwindigkeiten allerdings nicht linear zu der Absolutgeschwindigkeit vabs, sondern geometrisch, wie in Gleichung (2) gezeigt. 

                                                                   (2)


Im Erdorbit hat das Taxi aber bereits eine Orbitgeschwindigkeit vo von 7910 m/s. Die Orbitgeschwindigkeit muss zum Erreichen von vabs noch um Δv erhöht werden:

                                                                                             (3)

 

(3) in (2) eingesetzt liefert für Δv:

                                                                                           (4)

 

Eine Zusammenfassung aller Berechnungsergebnisse ist in Tabelle 1 gezeigt.

 

Tabelle 1: Benötigte Massen für einzelne Raumfahrzeuge

Berechnungen der benötigten Treibstoff- und Leermassen

Die Erklärungen im Einzelnen:

In Tabelle 2 sind die verwendeten Geschwindigkeitsdifferenzen für die Berechnungen mit Formel (1) und die Ergebnisse in Tabelle 1 gezeigt.

 

Tabelle 2: Erforderliche Geschwindigkeitsdifferenzen

Liste der erforderlichen Geschwindigkeitsdifferenzen

 

Entscheidend für die benötigten Treibstoffmassen sind, was aus Gleichung (1) leicht ersichtlich ist, die Strahlgeschwindigkeiten der verwendeten Triebwerke. Hier werden drei verschiedene Werte eingesetzt. Beim Verlassen der Erdumlaufbahn können nicht-lagerbare kryogene Treibstoffe verwendet werden, also Wasserstoff und Sauerstoff. Die Strahlgeschwindigkeit wird hier mit 4300 m/s angenommen. Zum Verlassen der Marsoberfläche oder des Marsorbits können solche Treibstoffe allerdings nicht verwendet werden. Hier müssen lagerbare Flüssigtreibstoffe eingesetzt werden, deren Strahlgeschwindigkeiten mit 3600 m/s angenommen werden. Die Bahnkorrektur von Obelix kann mit einem elektrisch betriebenen Schwachschub-Triebwerk durchgeführt werden, weil hierfür eine Brenndauer von zwei oder noch mehr Jahren kein Problem darstellt. Solch ein Ionentriebwerk kann eine Strahlgeschwindigkeit von 10500 m/s erreichen. Die Masse der Treibstofftanks und der Triebwerke sind mit zusammen 10 % der Treibstoffmasse angenommen. Für die atmosphärischen Bremsungen beim Eintritt in den Marsorbit, vor der Landung auf dem Mars sowie beim Eintritt in die Erdatmosphäre wird ein Aufschlag von 25 % zu dem jeweiligen Massen erhoben.

 

Werfen wir einen Blick auf die letzte Spalte von Tabelle 1. Es wird klar, dass alle Lasten die Grenze von 120000 kg im niedrigen Erdorbit nicht wesentlich überschreiten. Dies bedeutet, dass sie mit Trägerraketen der Größe der Saturn 5 befördert werden können; eine solche Rakete reicht jeweils aus, einen Taxi oder ein Modul mit Verbrauchsmaterialien direkt zu Obelix zu bringen. Auch für die Installation des Marsorbit-Komplexes in zwei getrennten unbemannten Missionen ist jeweilis eine Rakete wie eine Saturn 5 in etwa ausreichend.

 

Im Folgenden seien noch die Besonderheiten zur Installation von Obelix in seinem Orbit erläutert. Wie oben erwähnt beträgt der Geschwindigkeitsbedarf aus dem niedrigen Erdorbit auf den Obelix-Orbit 11834 m/s. Dies führt bei einer Masse von 25000 kg zu einer Treibstoffmasse von 370000 kg mit einer angenommenen Strahlgeschwindigkeit von 4300 m/s. Dies ist natürlich völlig unrealistisch, weil dann alleine die dreifache Nutzlast einer Saturn 5 noch nicht mal für den Treibstoff ausreichen würde. Ausweg wäre die Verwendung eines Ionenantriebs, der aufgrund seiner extrem hohen Strahlgeschwindigkeit von 10500 m/s das Treibstoffgewicht drastisch auf ein realistischeres Saturn 5-Äquivalient bringen würde. Eine überschlägige Rechnung zeigt jedoch, dass dies auch keine durchführbare Lösung ist, weil die dann erforderlichen antriebsstarken Ionentriebwerke technologisch noch nicht in Sicht sind. Es ist allerdings nicht notwendig, Obelix bereits mit einem „Schuss“ auf seine Bahn zu bringen. Raumsonden zu den äußeren Planeten werden mit Hilfe sogenannter Swingby-Manöver auf energiesparende Weise auf Kurs gebracht, in dem sie typischerweise an Venus, Mars und manchmal auch durch einen nahen Vorbeiflug an der Erde gewissermaßen „Schwung“ holen, um beispielsweise den Planeten Jupiter zu erreichen (Jupiter selber kann dann als „Schleuder“ zu weiter entfernten Planeten dienen). Ebenso kann Merkur, der sonnennächste Planet, am energiesparendsten dadurch erreicht werden, indem ein Swingby-Manöver an der Venus durchgeführt wird. Die Lösung ist, Obelix dadurch auf seine endgültige hochexzentrische Ein-Jahres-Bahn zu bringen, in dem zuerst an der Venus und dann an der Erde vorbeigeflogen wird. Leider bin ich bisher nicht in der Lage, hierzu genaue Rechnungen durchzuführen, es ist aber bekannt, dass sowohl Merkur als auch Mars durch dieses Manöver zu erreichen sind, und die „Eintreffgeschwindigkeiten“ sind den hier berechneten Vorbeifluggeschwindigkeiten von Obelix am Mars und in Merkurnähe recht ähnlich. Eine Rakete der Größe der Saturn 5 sollte für dieses Manöver ausreichend sein. In der Berechnung oben ist jedenfalls das Δv so eingesetzt, dass eine Gesamtmasse von 120000 kg im Erdorbit ausreichend ist.

 

Ein weiteres Problem ist die Drehung des Orbits von Obelix um 51°, wie oben erwähnt, um für die nächste Mission zum Mars auf Kurs zu sein. Dies müsste ebenfalls durch Swingby-Manöver an Mars oder Erde und vielleicht auch Venus erreicht werden. Zusätzlich ist hier die Verwendung eines Ionentriebwerks mit einer Treibstoffmasse von etwas mehr als 8000 kg Wasser (das vor „Verwendung“ elektrolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt werden müsste) eingeplant. Obelix kann damit um bis zu 2472 m/s beschleunigt oder verzögert werden.

 

Eine Bilanz sieht also folgendermaßen aus:

 

 

Für jede Mission

 

 

Dies bedeutet, ein Saturn 5-Äquivalent einmalig und weitere fünf Saturn 5-Äquivalente für jede Mission. Mit anderen Worten, die erste Mission zum Mars würde in etwa den gleichen Aufwand wie das Apollo-Programm bis zur ersten Mondlandung bedeuten (Saturn 5-Raketen wurden eingesetzt für zwei unbemannte Testflüge und dann für Apollo 8 bis 11, also sechs Mal).

 

Nun noch zu einigen technologischen Besonderheiten, die durch den nahen Vorbeiflug von Obelix an der Sonne resultieren.

 

Obelix nähert sich bei seinem Flug von der Erde zum Mars in seinem Perigäum bis auf 7,00 x 1010 m der Sonne, das heißt, er kreuzt fast die Bahn des Merkur. Dies lässt vermuten, dass die Belastungen von ionisierenden und thermischen Strahlen der Sonne zu großen technologischen Problemen führen könnten. Zunächst soll eine Abschätzung zur Größe dieser Belastung relativ zu der gleichen Belastung in Entfernung der Umlaufbahn der Erde um die Sonne gemacht werden.

 

Strahlenbelastungen nehmen mit Entfernung von der Sonne mit dem Faktor 1/r2 ab. Damit lässt sich leicht errechnen, dass die Strahlenbelastung für Obelix im Perigäum in etwa 4,5 Mal so stark wie in Erdnähe ist. Was bedeutet dies aus technologischer Sicht? Es ist günstig, nur eine kleine Fläche der Mannschaftskabine von Obelix der Strahlung der Sonne auszusetzen. Angenommen wird, dass diese Kabine zylinderförmig ist, mit einem Durchmesser von 4 m und einer Länge von 10 m. Es wird stets die Stirnfläche des Zylinders der Sonne zugewandt.  Die Größe dieser Fläche ist 12,57 m2.

 

Die thermische Leistung der Strahlung der Sonne beträgt bei Erdentfernung 1371 W/m2, woraus folgt, dass sie beim Perigäum von Obelix 6212 W/m2 beträgt. Die Stirnfläche nimmt daher also maximal eine Leistung von 78,80 kW auf (zum Vergleich: dies entspricht in etwa dem Wärmeumsatz, den die ISS hat). Ein typischer herkömmlicher Radiator kann 210 W/m2 abstrahlen. Es wäre also im ungünstigsten Falle eine Radiatorenfläche von 371,8 m2 notwendig. Bei dieser Abschätzung ist allerdings nicht berücksichtigt, dass Obelix kein schwarzer Strahler ist. Er kann an der Stirnseite mit einer hochreflektierenden Folie versehen werden, die man realistischerweise mit einem Emmissionskoeffizienten von 0,2 ansetzen kann. Das bedeutet, dass 80 % der Wärmestrahlung reflektiert wird und daher nicht mit Radiatoren abgeführt werden muss. In der Praxis könnte man sich daher Obelix mit vier Radiatorenflügeln ausgestattet vorstellen, die längs zur Sonne ausgerichtet sind und die überschüssige Wärme ins Weltall abstrahlen. Diese Radiatoren wären dann bei einer Breite von 2 m gerade mal 4,6 m lang (zu beachten ist, dass sie beidseitig die Wärme abstrahlen). Tatsächlich wird allerdings eine größere Fläche benötigt, weil die Geräte in Obelix (im Wesentlichen die Atemluft- und Wasseraufbereitung) viel Abwärme erzeugen, die auch abgestrahlt werden muss. Andererseits wird auch die Mannschaftskabine selbst eine gewisse Wärmeleistung passiv abstrahlen, was wiederum die Radiatorengröße reduziert. Wie viel dies sein wird entzieht sich einer einfachen Abschätzung. Es kann dennoch festgehalten werden, dass der nahe Vorbeiflug von Obelix zumindest aus thermischer Sicht keine allzu großen technologischen Probleme verursachen wird.


Um die Astronauten in Obelix auch beim nahen Vorbeiflug an der Sonne vor deren ionisierender Strahlung zu schützen ist eine Abschirmung mit einer Masse von 1000 kg pro m2 der Außenhülle notwendig. Obwohl hier nur die Stirnseite in Betracht gezogen werden muss, sind das dennoch beinahe 13000 kg. Das klingt zunächst nach viel. Allerdings ist zwischen der Mannschaftskabine und dem Reflektor, der von der Wärmestrahlung der Sonne abschirmt, die Versorgungskapsel mit einer Masse von 7000 kg sowie die beiden Antriebs- und Versorgungsteile der Taxis mit jeweils 5000 kg "geparkt", darüber hinaus werden auch die "Reserve-Lebensmittel" von Obelix, laut vorherigem Kapitel 1680 kg zuzüglich weiterer Versorgungsgüter ganz vorne in Obelix gelagert. Auch die Geräte zur Luft- und Wasseraufbereitung stellen eine zusätzliche Strahlungsbarriere dar; die Austronauten werden sich die überwiegende Zeit (bezogen auf die Sonne) "dahinter" aufhalten.

 

Der elektrische Energiebedarf ist schwer abzuschätzen. Durch den Verzicht auf wissenschaftliche Geräte könnte er geringer sein als bei einer Raumstation, aber durch die Erhöhung der Wiederaufbereitungskapazität für Wasser und Atemluft kann er auch sehr schnell in die Höhe steigen und möglicherweise sogar zu einem im Vergleich zu einer Raumstation erhöhten Bedarf führen. Energiequelle der Wahl ist wie bei Raumstationen die Solarenergie. Beim nahen Vorbeiflug an der Sonne von Obelix wird hier sehr viel Energie gewonnen, allerdings kann am sonnenfernsten Punkt von Asterix, der weit hinter der Marsbahn liegt, nur noch mit einer geringen Intensität der Sonnenstrahlen gearbeitet werden. Dieser Teil der Mission ist aber unbemannt, so dass der Energiebedarf wohl gedeckt werden kann. In Marsentfernung von der Sonne können Solarzellen noch sicher eingesetzt werden, wie aus aktuellen unbemannten Marsmissionen bekannt ist. Die Verwendung von Batterien wie bei einer Raumstation in einem niedrigen Erdorbit ist nicht notwendig, weil die Solarzellen stets optimal zur Sonne ausgerichtet sind und keine Abschattung (wie bei einer Raumstation beim Durchfliegen der Nachtseite der Erde) stattfinden kann.

 

Hauptanforderung bei der kompletten Mission ist eine extrem hohe Zuverlässigkeit aller Systeme, weil praktisch jeder Totalausfall eines der Systeme in den Paternostern katastrophale Konsequenzen hätte. Hier besteht allerdings kein Unterschied zu der Strenge dieser Anforderung bei konventionellen bemannten Marsmissionsideen.

 

Besonders kritisch sind in diesem Zusammenhang allerdings die „Deep Space Rendezvous“-Manöver der beiden Taxis mit Obelix und in noch verstärktem Maße mit Asterix. Da die Taxis aufgrund von Gewichtsbeschränkungen nur sehr spartanisch ausgerüstet werden können, ist es für das Überleben der Astronauten absolut erforderlich, dass zunächst Obelix und später auch Asterix erreicht werden. Dies bedeutet, dass eine Störung des Antriebs beim Verlassen der Erd- oder Marsumlaufbahn oder Schwierigkeiten bei der Ankopplung an die Paternoster fatale Folgen hätten. Sollten Probleme noch im Erdorbit oder kurz nach Verlassen desselben festgestellt werden, könnte die Reise noch abgebrochen werden. Allerdings haben die Taxis zum Erreichen von Asterix aus dem Marsorbit nur ein sehr kurzes Startfenster von vielleicht wenigen Stunden, das unbedingt genutzt werden muss.

 

Wie kritisch diese Risiken tatsächlich sind, vermag ich nicht zu sagen. Bei den Apollo-Missionen sind jedoch meines Wissens bei vergleichbaren Manövern nie ernsthafte Schwierigkeiten aufgetreten. Daher bin ich zuversichtlich, dass beim Stand der Technik in naher Zukunft die Risiken kalkulierbar sind. Des Weiteren besteht durch die Verwendung von zwei Taxis eine gewisse Redundanz. Sollte eine der Rückführtreibsätze wegen technischer Schwierigkeiten ausfallen, könnten mit einer Treibstoffladung unter Verzicht der Mitnahme von Proben vom Mars auch beide Taxis mit den vier Astronauten vom Marsorbit zu Asterix fliegen.

 

Hier ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Studien zum Paternoster gegeben.